(nach Roland Kopp-Wichmann)
FÄLLT ES IHNEN AUCH SCHWER:
… deutlich nein zu sagen oder sich abzugrenzen?
… die eigene Leistung selbstbewusst zu vertreten?
… klare Anweisungen zu geben?
… sich von dominant auftretenden Menschen nicht einschüchtern zu lassen?
… nicht alles persönlich zu nehmen?
… andere in ihrem Redefluss zu unterbrechen?
… sich für eigene Wünsche und Ziele nicht dauernd zu rechtfertigen?
Menschen, die an diesem Selbstbewusstseins-Problem etwas ändern wollten, haben bereits Bücher über ”Mehr Selbstbewusstsein” oder “Neinsagen lernen” gelesen oder ein entsprechendes Seminar besucht.
Die Tipps dort sind meist sinnvoll. Doch oft passiert es, dass man in entsprechenden Situationen wieder in die alten Verhaltensmuster zurückfällt.
Was sind die Gründe für dieses Verhalten, das einen einerseits beliebt macht (“Nett-working-Falle”), das aber auch das Risiko des Ausgenutzt-Werdens birgt? Manchmal bekommt auch ein anderer Kollege das begehrte Projekt oder den besseren Job – einfach nur weil er/sie sich besser verkauft.
Ein starkes Selbstbewusstsein müsste ich haben, denken sich viele.
Wie schafft man das? Wieso kann ich das nicht? Was machen solche Menschen anders?
Bücher darüber, wie man Selbstbewusstsein stärken, trainieren, freilegen etc. können soll, gibt es zuhauf … Die Tipps sind meistens gut gemeint: Du musst dich auf deine Stärken konzentrieren … akzeptier dich, wie du bist … hör auf, dich runterzumachen … grenz dich ab, die anderen können dir egal sein … sag zu deinen negativen Gedanken einfach „Stop!“
Selbstbewusstsein kann man nicht trainieren.
Ich weiss auch keine Möglichkeiten oder tollen Tipps, wie man sein Selbstbewusstsein stärken kann. Natürlich hilft es, sich in schwierigen Situationen gerade hinzustellen, mit fester Stimme zu sprechen, seinem Gegenüber in die Augen zu schauen und zu sagen, was man sagen will. Das wirkt selbstbewusst.
Das Problem ist nur: zu Hause vor dem Spiegel klappt das noch ganz gut, im Rollenspiel in einem entsprechendem Seminar vielleicht auch – aber in der Praxis, wenn dann Ihr Chef, ein unzufriedener Kunde oder eine redselige Kollegin vor Ihnen steht, ist meist alles weg und es fällt Ihnen schwer:
… deutlich nein zu sagen oder sich abzugrenzen
… die eigene Leistung gut zu verkaufen
… klare Anweisungen zu geben
… sich von dominant auftretenden Menschen nicht einschüchtern zu lassen
… Kritik nicht allzu persönlich zu nehmen
… andere in ihrem Redefluss zu unterbrechen
… sich für Ihre Wünsche und Ziele nicht dauernd zu rechtfertigen.
Wie kommt das? Was passiert da in Ihnen?
Viele Anleitungen zur Stärkung des Selbstbewusstseins greifen meiner Ansicht nach zu kurz. Sie müssen Ihr Selbstbewusstsein nicht stärken, aufbauen oder trainieren. Das geht auch gar nicht.
Hilfreicher ist es, zu untersuchen, wie Sie Ihr Selbstbewusstsein schwächen.
Sie haben richtig gelesen. Wer sich nicht selbstbewusst fühlt oder verhält, hat kein geringes Selbstbewusstsein, sondern er schwächt es regelmässig. Und zwar durch permanente Selbstsuggestion. Da sind Sie Ihr eigener Mentaltrainer – nur eben in die andere Richtung.
Sie könnten locker auch eine DVD produzieren, wie man sich erfolgreich und nachhaltig klein macht. Nämlich mit Gedanken wie:
„Du kannst es eben nicht!“
Du wirst jämmerlich versagen!“
„Die anderen werden dich gnadenlos auslachen!“
„Wer bist du schon, dass du glaubst, du könntest das?“
„Niemand wird dich mögen, wenn du das tust.“
...
Solchen Gedanken, da sie ja aus einem selbst kommen, ist schwer zu begegnen und sie können einen nachhaltig entmutigen und niedermachen. Das Gemeine ist: Sie machen sich nicht diese negativen Gedanken, sondern die kommen unwillkürlich und automatisch. Sie wollen das nicht, aber es passiert.
Deswegen helfen Ihnen viele Selbsthilfebücher und Trainings nicht, die Ihnen vorschlagen, einfach das Gegenteil zu denken. Die Idee klingt vernünftig, funktioniert aber in der Praxis selten.
Warum?
1. Weil persönliche Veränderung nicht über den Verstand läuft. Sondern immer Ihre Gefühle mit einschliessen muss. Und vor diesen – oft schmerzlichen – Gefühlen haben die meisten Menschen Angst.
2. Weil sich nicht selbstbewusst verhalten zu Ihrer besten Strategie geworden ist.
Richtig gelesen: Wenn Sie immer nett sind, nie nein sagen, es anderen immer recht machen wollen, keinen Konflikt wagen usw., dann kann man das auch als Ihre beste Strategie verstehen, mit schwierigen Situationen umzugehen. Nicht die beste, die man sich vorstellen kann. Aber eben Ihre beste – im Rahmen ihrer bisherigen Möglichkeiten.
Rational betrachtet wissen Sie, dass nichts Schlimmes passiert, wenn Sie die Bitte Ihres Freundes, Ihnen am Wochenende bei seinem Umzug zu helfen, abschlagen. Doch emotional kommen Sie in Bedrängnis. Und denken so etwas wie:
er wird mich ablehnen und mich das in Zukunft spüren lassen
er wäre enttäuscht oder verärgert und ich bin schuld
er fände mich egoistisch und das wäre ich dann ja auch
er würde mich beschimpfen und ich könnte mich nicht wehren
er würde es rum erzählen und andere würden mich auch ablehnen
Diese Gedanken bei sich zu beobachten, ist enorm wichtig.
Denn sie führen Sie zu der Quelle Ihres „geringen“ Selbstbewusstseins. Wenn Sie mit etwas Achtsamkeit untersuchen, woher Sie solche und ähnliche Sätze kennen, werden Sie wahrscheinlich fündig. Es sind Sätze und Beziehungserfahrungen, die Sie als Kind oder Jugendlicher öfters gehört oder erlebt haben.
Doch das alleinige Wissen, dass Ihr Bruder oder Ihre Schwester oder ein Elternteil manchmal so zu Ihnen gesprochen hat, hilft noch nicht bei der Veränderung. Sie müssen es meiner Erfahrung wieder ein Stück emotional nacherleben.
Davor scheuen sich die meisten Menschen, die etwas an Ihrem Selbstbewusstsein verändern wollen. Denn die damit verbundenen Gefühle können unangenehm und schmerzlich sein. Gefühle wie Scham, Wertlosigkeit, Angst vor Neid, Ungeliebt sein, Ablehnung aber auch Ohnmacht und Wut.
Doch eine tiefe Veränderung an alten Denk- und Verhaltensmustern "muss unter die Haut " gehen. Mit simplen Psychotricks nach dem Motto „Denken Sie doch einfach …“ geht es nicht.
Denn wenn Sie sich nicht selbstbewusst fühlen, machen Sie unbewusst etwas, was Sie verändern können: Sie übernehmen die elterlichen Botschaften aus der Vergangenheit anstatt sich heute in der Gegenwart davon abzugrenzen.
Ein Beispiel: Laufen sie in der einer Fussgängerzone ca. einhundert Meter rückwärts. Natürlich sagen sie nicht sofort ja. Was kann dabei passieren, denn ich habe das Experiment selbst schon gemacht: 80 Prozent der Passanten kriegen es gar nicht mit, dass da jemand rückwärts läuft. Zehn Prozent grinsen oder gucken verwundert. Die restlichen zehn Prozent reagieren mit einem Spruch wie „Darf ich mitlaufen?“ oder „Ist das ein Werbegag?“ oder „Die spinnt wohl!“
Diesbezüglich eine Frage: Was können Sie gerade achtsam wahrnehmen, wenn ich Ihnen vorschlage, das Sie mal in einer Fußgängerzone rückwärts gehen?
Sie sind vermutlich auch nicht begeistert und finden alle möglichen Gründe, warum Sie das nicht machen können, werden, brauchen. Doch wenn Sie etwas Grundlegendes in Ihrer Persönlichkeit ändern wollen, müssen Sie meistens Ihre innere Komfortzone verlassen und etwas wagen.
Sie müssen es wagen, Ihren Gefühlen aus der Vergangenheit zu begegnen und Sie werden dabei herausfinden, dass Sie es sind, der sein Erleben kontrolliert. Nicht die Vergangenheit, nicht Ihre Stärken und Schwächen, nicht die anderen Leute. Sie sind es – mit Ihrer Bewusstheit.
Menschen die sich für das Rückwärts-Experiment entschliessen sage ich nämlich noch Folgendes: „Du und ich wissen, dass im Aussen nichts Schlimmes passieren wird. (Ignorieren, Grinsen, Sprüche). Das Schlimme passiert in Dir innen. Du denkst, die anderen finden Dich doof, lehnen dich ab. Aber Du kennst niemanden in dieser Stadt. Sie können Dir egal sein. Deine Angst entsteht in dem Moment, wo Du auf Ihre Meinung Wert legst. Wo Du Dich innerlich mit Ihnen verbindest und Dich mit ihren Augen siehst. Wo du Dich innerlich nicht abgrenzt. Bleib die einhundert Meter ganz bei Dir.“
Nach dem Experiment berichten manche ganz stolz von ihren Erfahrungen. Sie hatten es ausprobiert. Z.B. anfangs schaut man nur auf den Boden, um bei sich zu bleiben, nach fünfzig Metern wagt man es hoch zu schauen. (Die meisten Passanten bemerkten mich gar nicht, einige grinsten, einige machten einen Spruch.) Die letzten fünfzig Meter probiert man aus, etwas Ungewöhnliches für sich zu tun und sich innerlich von der Meinung anderer unabhängig zu machen.
Normalerweise arbeite ich nicht mit solchen Übungen. Es geht in meiner Arbeit viel mehr um die innere Auseinandersetzung mit den vergifteten und destruktiven Botschaften, die man als Kind gehört hat und so verinnerlicht hat, dass man mittlerweile als Erwachsener selbst überzeugt ist, dass sie stimmen.
So hab ich das noch nie gesehen, hm. Gibt mir zum nachdenken 👍